Die Legende by David Gemmell

Die Legende by David Gemmell

Autor:David Gemmell
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-10-17T22:00:00+00:00


17.

Der erste Frühjahrssturm brach über den Delnoch-Bergen los, als Gilad den Wachposten auf Mauer Eins ablöste. Donner grollte zornig, während zackige Blitze den Nachthimmel zerrissen und die Festung für einen Augenblick hell erleuchteten. Ein wütender Wind pfiff und fauchte über die Mauern.

Gilad kauerte sich unter den Vorsprung unter dem Torturm und rückte das kleine Kohlebecken in den Windschatten der Mauer. Sein Umhang war bereits durchweicht, und Wasser rann ihm aus dem nassen Haar auf die Schultern und sickerte von dort unter die Brustplatte, wo es das Leder seines Panzerhemdes durchdrang. Doch die Mauer strahlte die Hitze der glühenden Kohlen zurück, und Gilad hatte schon schlimmere Nächte auf der sentri-schen Ebene verbracht, wo er zugewehte Schafe in winterlichen Schneestürmen freigeschaufelt hatte. In regelmäßigen Abständen stand er auf und spähte über die Mauer nach Norden, auf einen Blitz wartend, der die Ebene erhellte. Nichts rührte sich dort.

Ein Stück weiter entlang der Mauer explodierte ein Kohlebecken, als der Blitz einschlug, und ein Schauer von glühenden Kohlen regnete auf ihn herab. Was für ein Ort, um eine Rüstung zu tragen, dachte er. Er schauderte und drückte sich enger an die Mauer. Langsam zog das Gewitter weiter und jagte, von einem wütenden Wind aus Norden getrieben, über die sentrische Ebene. Der Regen hielt noch eine Weile an, klatschte gegen die grauen Steine der Wehranlagen und rann die Mauern des Turms hinab, zischend und spritzend, wenn einzelne Tropfen auf den Kohlen verdampften. Gilad öffnete sein kleines Verpflegungspäckchen und holte einen Streifen Trockenfleisch heraus. Er riß ein Stück ab und begann zu kauen. Noch drei Stunden - und dann drei Stunden in einer warmen Koje.

Er hörte, wie sich etwas in der Dunkelheit hinter der

Brustwehr bewegte. Gilad fuhr herum und tastete nach seinem Schwert. Phantom-Ängste aus seiner Kindheit überfluteten seine Gedanken. Eine große Gestalt trat in den Lichtkreis des Kohlebeckens.

»Ganz ruhig, mein Freund. Ich bin's nur«, sagte Druss und setzte sich ihm gegenüber. Er hielt seine großen Hände über die Flammen. »Feuer, was?«

Sein weißer Bart war triefnaß, und seine schwarze Lederweste glänzte, als wäre sie vom Sturm poliert worden. Der Regen hatte bis auf ein Nieseln nachgelassen, und der Wind heulte nicht mehr so geisterhaft. Druss summte für ein paar Augenblicke ein altes Kriegslied vor sich hin, während er sich vom Feuer wärmen ließ. Gilad, angespannt und erwartungsvoll, wartete auf die sarkastischen Bemerkungen, die jetzt kommen mußten. »Wir frieren, nicht wahr? Brauchen ein kleines Feuer, um die Phantome fernzuhalten, was?« Warum muß es ausgerechnet meine Wache sein, du alter Bastard? dachte er. Nach einer Weile wurde das Schweigen drückend, und Gilad ertrug es nicht länger.

»Eine kalte Nacht zum Spazierengehen, Hauptmann«, sagte er und verwünschte sich im gleichen Moment für den respektvollen Tonfall.

»Ich habe schon Schlimmeres erlebt. Und ich mag die Kälte. Sie ist wie der Schmerz - sie sagt dir, daß du am Leben bist.«

Das Feuer warf tiefe Schatten in dem wettergegerbten Gesicht des alten Kriegers, und zum erstenmal sah Gilad die Müdigkeit, die sich dort eingegraben hatte. Hinter der legendären Rüstung und den Augen aus feurigem Eis war er einfach nur ein alter Mann.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.